Früherkennung chronischer Schmerzen

Ein Fünftel der Europäer leidet unter chronischem Schmerz. Ein erhebliches Problem – für Betroffene und für die Gesellschaft.

Was ist chronischer Schmerz? Und kann man ihn entdecken, bevor er entsteht? Dies erforscht PD Dr. med. Philipp Hüllemann, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie und neurologische Frührehabilitation am MEDICLIN Klinikum Soltau.

Das Problem ist gewaltig. Es betrifft über 150 Millionen Menschen in allen 48 europäischen Staaten. Sie leiden an chronischem Schmerz. „Chronischer Schmerz ist schwer behandelbar, denn oft fehlen effiziente Behandlungsansätze. Er schränkt die Lebensqualität stark ein und belastet die Ökonomie erheblich“, sagt Hüllemann.

"Früherkennung chronischer Schmerzen ist wichtig"

- PD Dr. med. Philipp Hüllemann

Dabei könnte chronischer Schmerz gemildert werden – wenn er früh genug erkannt und behandelt würde. Am besten noch bevor er sich festsetzt. Doch daran hapert es. „Bisher können wir keine Prädisposition für Schmerzchronifizierung sicher diagnostizieren“, stellt Hüllemann fest: „Dabei spielt gerade die Früherkennung eine entscheidende Rolle, wenn wir chronische Schmerzzustände durch frühe zielgerichtete Therapien vermeiden wollen.“

Seit Jahren erforscht der Spezialist für neurologische Schmerztherapie das Phänomen, seit 2019 in einem Forschungsverbund, der die Früherkennung chronischer Schmerzen in den Mittelpunkt stellt. Das Projekt „Frühdetektion von Schmerzchronifizierung“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, Ziel ist die Entwicklung spezifischer Bluttests, die mithilfe neurophysiologischer Messdaten chronische Schmerzen schon in frühen Stadien erkennen und individualisierte Therapien ermöglichen.

Spontanheilung oder Dauerschmerz?

Spontanheilung oder Dauerschmerz?

„Wir hoffen, dass uns ein einzelner Blutstropfen den Weg weisen kann Richtung Spontanheilung oder Schmerzchronifizierung“, sagt Hüllemann. „noChro“ lautet der Name des Forschungsverbundes. „Es geht um eine deutlich höhere Lebensqualität durch eine individuelle, effizientere und zielgerichtete Therapie.“ Am Ende könnte eine mobile medizintechnische Lösung stehen, die Blutergebnisse unkompliziert erfasst und eine Prädisposition für chronischen Schmerz vorhersagen kann. Neue hochsensitive Analyseverfahren könnten gezielt entzündliche Reaktionen suchen, die den Schmerz verursachen.

„Hinter chronischen Schmerzen steckt ein komplexer Prozess“, erklärt Hüllemann: „Es gibt nicht nur eine Ursache, sondern eine komplexe Chronifizierungskette.“ Am Anfang steht eine Verletzung: Eine Wunde, eine Entzündung, ein Gelenktrauma oder eine Nervenschädigung. „Auf Gewebeverletzungen reagieren wir mit Schmerz. Das ist normal“, erklärt Hüllemann: „Doch bei der Entstehung von chronischem Schmerz verändern sich neuronale Abläufe im zentralen Nervensystem und verursachen eine Überempfindlichkeit des schmerzverarbeitenden Systems.“ Es kommt zu Sensibilisierungsprozessen. Die normale Antwort unseres Körpers auf Gewebeschäden wird zu einer Art Dauerschleife, zu einer lang anhaltenden Erkrankung – selbst wenn die ursprüngliche Verletzung längst nicht mehr besteht.

Weitere Schäden vermeiden

Die Forscher wollen allerdings schon den Beginn einer Schmerzchronifizierung erkennen können: „Neben Blutanalysen werden neue elektrophysiologische Verfahren entwickelt, mit denen wir jede einzelne Nervenfaserfunktion objektiv messen können. Wir wollen bereits in der Frühphase einer Nervenschädigung einer veränderten Nervenfunktion auf die Spur kommen.“ Gelinge dies, könne eine Prädisposition für chronischen Schmerz rechtzeitig erkannt und vor allem der Patient rechtzeitig und individuell angemessen behandelt werden.

Schmerz ist nicht gleich Schmerz: „Nehmen Sie als Beispiel Rückenschmerzen“, erklärt Hüllemann: „Zwei Patienten haben durch Bandscheibenvorfälle Kompressionen der Nervenwurzeln erlitten. Beide leiden unter massiven Schmerzen, jedoch ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Wie ist zu verfahren?“

Das Problem ist: Was dem einen hilft, sorgt bei dem anderen Patienten womöglich für schwere Folgeschäden: „Wenn wir ganz genau feststellen können, ob die verschiedenen Nervenfasern in ihrer Funktion erhalten geblieben sind oder nicht, erleichtert das die Entscheidung ganz erheblich. Ist es besser, abzuwarten und auf eine konservative Behandlung zu bauen? Oder sind bereits so viele Nervenfunktionen gestört, dass man so schnell wie möglich operieren muss, um weitere Schäden zu vermeiden?“

Forschungsverbund

Der vom BMBF geförderte Forschungsverbund „noChro“ hat sich zum Ziel gesetzt, durch einfache Diagnostik von Biomarkern chronischen Schmerz vorherzusagen und damit betroffenen Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zu ermöglichen.

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